© Jürgen Schroeder
© Juergen Schroeder
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Vom Paradies auf Erden und der Jagd nach Wind
Warum der biblische Philosoph Kohelet zu mehr Gelassenheit rät
„Sie hängen der Entwicklung hinterher!“ Diesen Satz hören moderne Menschen gar nicht gerne. Denn das ist es ja, was wir für so wichtig halten, dass wir uns entwickeln. In den Unternehmen gibt es Personalentwicklung und Organisationsentwicklung. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen machen uns jede Woche Sorgen. Und jeder fähige Mitarbeiter soll in einem Unternehmen seine Potentiale entwickeln. Sogar die Schulen machen Schulentwicklung. Bei so viel Entwicklung stellt sich die Frage, ob sich dabei auch wirklich etwas verändert, zum Guten hin.
In der Bibel, im Alten Testament, gibt es ein Buch, Kohelet, in dem ein Philosoph, der auch ein König war, seine Gedanken über das Leben aufgeschrieben hat. Er beobachtet die Welt und das Handeln der Menschen und kommt zu dem seltsamen Ergebnis: Man kann tun, was man will auf dieser Erde, es ist doch alles sinnlos und führt zu nichts. Der Philosoph probiert es selber aus mit ganz neuen Entwicklungen. Unglaublich, was der alles tut. Er wäre heute ein Musterbeispiel für erfolgreiche Selbstentwicklung, ein Karrieremensch erster Güte. Er baut sich prunkvolle Häuser mit Weinbergen und Obstgärten und entwickelt dazu eigene Bewässerungssysteme. Er wird reich und alles, was er tut, verschafft ihm große Lebensfreude. Doch dann denkt er nach über das, was er getan und erreicht hat, und kommt zu dem Schluss: Es ist alles sinnlos, man könnte genauso gut mit der Hand in den Wind greifen.
Jagd nach Wind?
Nun könnte man diesen Kohelet als seltsamen Spinner mit depressiven Zügen einfach übergehen. Denn natürlich macht es Sinn, wenn wir uns anstrengen und Neues entwickeln, sonst säßen wir ja immer noch in Höhlen und gingen täglich auf die Jagd, statt in den Supermarkt. Kohelet meint wohl eher, dass Gott alles nach seinem ewigen Gesetz eingerichtet hat. Wir Menschen können da nichts wegnehmen und nichts hinzufügen. Und Gott lässt alles wiederkehren wie in einem Kreislauf. Und wir Menschen nehmen oft gar nicht wahr, dass wir uns auch in Kreisläufen bewegen. Wir mühen uns ständig ab, sagt Kohelet, um etwas Gutes essen zu können und werden doch wieder hungrig. Das heißt, wir können eigentlich letztlich nie zufrieden sein, wir können kein Paradies auf Erden schaffen. Deshalb, meint Kohelet, sollten wir uns mit dem zufriedengeben, was wir haben, alles andere sei „Jagd nach Wind“.
Was ist wichtig?
Vielleicht will der biblische Philosoph auch ein wenig provozieren. Denn er zwingt mich, darüber nachzudenken, was von dem, was ich tue, wirklich notwendig ist und was nicht. Und ob ich das, was ich erreiche, auch wirklich dankbar genieße, oder ob ich dann schon wieder zur nächsten Aktion hetze, immer auf der Suche nach …? Ja, nach was? Das ist die entscheidende Frage: Wonach suche ich eigentlich?
Kohelet konfrontiert mich sehr unangenehm mit der Tatsache, dass am Ende meines Lebens der Tod steht. Und dass ich von daher die Frage stellen muss, ob ich für die richtigen Dinge meine Energie einsetze. Denn wirklich konsequent handeln wir Menschen selten. Wir wollen etwas fürs Klima tun und behängen unsere Häuser mit Millionen von Lichterketten. Wir wollen die schlechten PISA-Ergebnisse verbessern und belasten die Schulen mit einer Reform nach der anderen, so dass Kinder und Lehrer sich in dem ganzen bürokratischen Müll nicht mehr zurechtfinden. Wir wollen die Erde friedlicher machen und pumpen Milliardensummen in den Verkauf von Waffensystemen. Sind wir Menschen wirklich lern- und entwicklungsfähig?
Die Mahnungen des Kohelet
Vielleicht können uns die Mahnungen des biblischen Philosophen helfen. Er sagt: Denk daran, dass es bei allem Tun auf Gott ankommt. Freue dich, wenn du einen Glückstag hast. Und wenn du einen Unglückstag hast, denk daran, Gott schickt dir beides, und du weißt nicht, was als nächstes kommt. Und du weißt auch nicht, warum das alles so ist. Ob etwas zum Segen für dich wird, kannst du erst am Ende sagen.
Wenn wir diese Mahnungen des Kohelet beherzigen könnten, ginge vielleicht alles etwas leichter und langsamer. Wir hätten mehr Klarheit bei allen Entwicklungen. Und wir könnten uns viel Stress und Hektik ersparen, weil wir gelassener leben könnten.
Dietmar Rebmann
Quelle: Katholische Hörfunkarbeit für Deutschlandradio und Deutsche Welle, Bonn, www.katholische-hörfunkarbeit.de, In: Pfarrbriefservice.de